
Vladimir Hofmann und Daniel Stiefel wurden am Sonntagabend als neue Führungsspitze der Synagogengemeinde Saar gewählt. Diese Neuwahl wurde notwendig, nachdem die bisherige Vorstandsvorsitzende Ricarda Kunger und ihre Stellvertreterin Nathalie Shabanzadeh am Samstag zurückgetreten waren. Der Rücktritt steht im Zusammenhang mit einem Richtungsstreit zwischen liberalem Judentum und Anhängern der Chabad-Strömung sowie russischsprachigen Zuwanderern, wobei Kunger und Shabanzadeh unterschiedliche Auffassungen über die Zielsetzungen der Gemeinde als Grund angaben. Hofmann, ein gebürtiger Ukrainer aus der Region Donezk, hat eine lange Geschichte in der Gemeinde. Er ist seit 1996 Mitglied und war zuvor Repräsentanzvorsitzender. Sein Großvater väterlicherseits war Vorsteher einer jüdischen Kolonie in Saporischja und half bei der Evakuierung der Juden vor dem Nationalsozialismus.
Daniel Stiefel, geboren 1964 in Saarbrücken, ebenfalls Gemeindemitglied seit der Geburt, bringt eine tiefe familiäre Verbindung zur jüdischen Gemeinde mit. Sein Großvater mütterlicherseits, Eduard Lehmann, war Mitbegründer der jüdischen Gemeinde im Saarland und von 1962 bis 1964 Vorstandsvorsitzender. Der Geschäftsführer Evgenij Mrinski würdigte in einer Pressemitteilung die konstruktive Zusammenarbeit von Kunger und Shabanzadeh und hob deren Initiativen zur Förderung jüdischen Lebens hervor. „Wir setzen uns für interreligiösen Dialog und gegen Antisemitismus ein“, erklärte Hofmann und versicherte, die Kontakte zur Landesregierung und zu relevanten Institutionen offen halten und vertiefen zu wollen.
Gestiegene Antisemitismusfälle im Saarland
Die Wahl der neuen Vorstandsspitze fällt in eine Zeit, in der die Zahl antisemitischer Vorfälle im Saarland deutlich angestiegen ist. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hat festgestellt, dass insbesondere Pro-Palästina-Demonstrationen zunehmend von antisemitischen Äußerungen geprägt sind. Petra Melchert von RIAS kritisierte die Polizei für ihr zögerliches Handeln und wies auf die Problematik antisemitischer Plakate und Karikaturen hin, die auf diesen Demonstrationen zu sehen sind. Insbesondere bei einer letzten Pro-Palästina-Demo in Saarbrücken gab es kritische Äußerungen auf Arabisch, was den Ruf nach mehr Experten bei Polizeieinsätzen laut werden ließ.
Innenminister Reinhold Jost (SPD) verteidigte die saarländische Polizei im Innenausschuss des Landtags und betonte die Balance zwischen Meinungsäußerungsrecht und Demonstrationsrecht. Trotz der Herausforderung schreitet die Polizei konsequent bei Straftaten während Demonstrationen ein; mehrere Dutzend Verfahren wurden bereits eingeleitet. Roland Rixecker, der Antisemitismusbeauftragte, wies zudem auf die problematische Situation in Schulen hin, wo junge Menschen falsche Informationen über den Konflikt verbreiten. Ricarda Kunger hatte bereits Bedenken zur Situation in Schulen geäußert und das Bildungsministerium informierte Schulleitungen über die hoch kontroversen Auseinandersetzungen.
Interreligiöser Dialog als Lösung
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat die Förderung des interreligiösen Dialogs an Bedeutung gewonnen. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, betont die Notwendigkeit solcher Dialogformate zur Bekämpfung von Vorurteilen. In Deutschland gab es im Jahr 2022 mit 1.839 gemeldeten Hassdelikten gegen Juden die höchste Zahl bisher. Jüdische Gemeinden bemühen sich daher aktiv um jüngere Mitglieder und bieten attraktive Programme an. Ein Beispiel erfolgreicher Zusammenarbeit ist das Projekt „Schalom Aleikum“, das Juden und Muslime zusammenbringt und zeigt, wie interreligiöser Dialog funktionieren kann.
Am Anfang des Jahres haben hochrangige Vertreter von Judentum und Islam gemeinsam gegen Antisemitismus Stellung bezogen. Scheich Mohammed Bin Abdul Karim Al-Issa unterstrich, dass Antisemitismus nicht mit dem Islam vereinbar sei. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt betrachtete diese Äußerungen als wichtig und notwendig, um ein gemeinsames Zeichen gegen den Antisemitismus zu setzen. In dieser Zeit der Herausforderung ist es essenziell, dass die neue Führung der Synagogengemeinde Saar diese Themen aufgreift und das jüdische Leben in der Region stärkt.